Die schwedische Regierung hat angekündigt, 10 Tage lang nur Menschen mit Pässen einreisen zu lassen. Praktisch sieht es allerdings so aus als würde die Polizei lediglich Stichproben machen. Über Dänemark reisen nachwie vor Geflüchtete ein. Auch das Gerücht, dass nur diejenigen Geflüchteten, die einen Pass haben, Asyl beantragen können, bewahrheitete sich in den letzten Tagen nicht. Jede*r kann Asylbeantragen. Lediglich wenn Geflüchtete äußern, dass sie nach Norwegen oder Finnland weiter reisen wollen, werden sie in Polizeigewahrsam genommen und nach Deutschland oder Dänemark abgeschoben. Dublin III gilt also wieder strenger. Schweden schlägt damit in dieselbe Kerbe wie Deutschland, das in der vergangenen Woche die Dublin-Regelung für Syrer*innen wieder in Kraft gesetzt hat.
In Rostock ist die neue Situation besonders am Hafen spürbar: Die Fährunternehmen verkaufen nur noch Tickets an Menschen mit Reisepass. Andere Ausweis-Deokumente, wie beispielsweise Führerscheine oder auch Kopien der Pässe gelten nicht. Auch Familienangehörige dürfen nicht mitreisen, wenn sich andere Familienmitglieder ausweisen können.
Die meisten Geflüchteten haben keine Pässe. Am Freitag führte die neue Regelung dazu, dass lediglich 36 Menschen über Rostock nach Schwedenfahren konnten. Samstag waren es circa 50. 300 – 400 Plätze hätte es jeweils auf den Fähren gegeben.
Etwa 500 Menschenhaben sich Donnerstag Abend selbstorganisiert mit dem Zug auf den Weg nach Flensburg gemacht. Über den Landweg können Asylsuchendemeistens nach wie vor nach Schweden einreisen. Für die kommendenTage ist eine Verschiebung der Reiseroute in diese Richtung zu erwarten.
Unter den Geflüchteten spricht sich die neue Situation schnell rum. Daher kamen in den letzten Tagen weit weniger Leute am Hauptbahnhof an als bisher. Etwa 70-100 waren es jeweils. Die kleinere Anzahl an Menschen bedeutet nicht, dass am Bahnhof und später Hafen weniger zutun ist. Die Gespräche mit einzelnen Refugees, die Fragen zur Situation in Schweden und Dänemark haben, werden mehr.
Für #hrohilft ist die „Entspannung“ eine bittere: „Die Leute wollen nachSchweden. Und sie werden dort hin fahren. Es ist so lächerlich, dass diese neue Regelung den Weg über die Fähren blockiert und die sozusagen leer fahren“, so eine der Helfer*innen. „Die Reisewege werden sich einfach verschieben. Oberstes Ziel sollte es sein, dass so viele Menschen wie möglich und zwar so sicher wie möglich dorthin reisen können, wo sie sich ihr Leben weiterhin vorstellen können! Dublin ist ein reines Abschreckungsinstrument, das Teil der europäischen Abschottungspolitik ist.“
Am Freitag Abend gab es eine Infoveranstaltung für Helfer*innen, auf der Neuigkeiten zur aktuellen Situation zusammengetragen wurden. Nach Berichten zur Debatte und politischen Situation in Schweden, aus anderen Städten mit Fähranbindung in Deutschland und von den einzelnen Crews, wurden Ideen gesammelt, wie #hrohilft mit der veränderten Situation umgehen könnte. Zwei Szenarien scheinen denkbar:
1. Es kommen weniger Flüchtlinge
In den vergangenenTagen ist die Anzahl der ankommenden Geflüchteten stark zurückgegangen. Donnerstag waren es etwa 70, Freitag neun. Auch die Zahl der Fährreisenden ging so stark zurück, sodass am Hafen bereits die Frühschicht gestrichen wurde. Fährreisende mit Pass können mittlerweile wieder direkt vom Bahnhof zum Fährterminal fahren und sparen den Umweg über die Notunterkünfte.
Sollte dies so bleiben, haben die Helfenden im Bereich der sogenannten „Transitflüchtlinge“ bald Kapazitäten frei für andere Formen des Engagements:
Eine Möglichkeit wäre, verstärkt Asylsuchende in den Gemeinschaftsunterkünften zu unterstützen. Rostock wird im kommenden Jahr zu Hause für doppeltso viele Menschen, die sich im Asylverfahren befinden, wie bisher. Grund ist eine Angleichung der Quote. 12% der Leute, die in MV Asylbeantragen werden also nach Rostock kommen. In den Unterkünften gibtes für nahezu jede*n mit einer Idee, die Möglichkeit diese umzusetzen: Kinderbetreuung, Sportangebote, Kino, Kochabende. Ökohause.V. freut sich über Freiwillige, die etwas Spaß in den grauen Lageralltag bringen. Das Engagement hier ist außerdem eine gute Möglichkeit, Freundschaften zu schließen und das Ankommen in Deutschland zu erleichtern. Wer bereits jetzt Interesse hat, sich zuengagieren, kann sich beim Infotelefon melden oder direkt bei Ökohaus nachfragen, was es zu tun gibt.
In diesem Bereich könnte #hrohilft Infoveranstaltungen organisieren, die Basics derrechtlichen Situation von Geflüchteten erklären. Denkbar sind Veranstaltungen z.B, zur medizinischen Versorgung, zu Arbeitsrechtund anderen.
Eine weitere Idee, mit freien Kapazitäten bei #hrohilft umzugehen, ist die verstärkteVernetzung in MV. Die Erstaufnahmelager in Mühlengeez und Basepohl haben nur schlechte Anbindung an Freiwilligenstrukturen. Hier gäbees Anknüpfungspunkte. Die Vernetzung mit anderen„hilft“-Organisationen mv-weit wäre die Basis dafür.
2. Die Grenzkontrollen werden langfristig verstärkt
Bei einerVerschärfung der Grenzkontrollen bleibt der Masterplan von #hrohilft: Die Asylsuchenden so gut wie möglich dabei zu unterstützen, ihr Recht auf Asyl dort in Anspruch zu nehmen, wo siees gern möchten. Wege hierhin können sein: Vernetzung mitUnterstützer_innengruppen in Lübeck, Kiel, Flensburg, Malmö und anderen Städten. Denkbar ist auch eine Demonstration in Rostock oderTrelleborg. Schweden plant ein Gesetz, das Passkontrollen an denGrenzen verbindlich macht. Offiziell wird dies mit der Angst vor Verbrecherbanden begründet.
Die verschärften Grenzkontrollen bedeuten, dass wir uns an einigen Stellen neu sortieren können. #hrohilft hofft darauf, dass Schweden weiterhin Menschen die Möglichkeit zur Durchreise und Asyl gibt. Engagierteuch weiter dort, wo es Bedarfe gibt!