Am Sonntag brach eine kleine Gruppe aus dem „Rostock hilft“ Umfeld auf in Richtung Griechenland. Ziel ist erstmal die Dokumentation der Route und Verbindungen aufbauen um im Nachgang die Möglichkeit zu schaffen langfristige Unterstützung von Rostock an die Balkan-Route zu realisieren.
Wir werden an dieser Stelle regelmäßig über unsere Erlebnisse und die verschiedenen Spots an der Route berichten, über die täglich immer noch tausende den Weg nach Europa auf der Suche nach Zuflucht durchqueren.
In unseren Texten findet ihr konkrete Infos dazu, wo und wie ihr selbst unterstützen könnt. Wer genauere Infos braucht kann sich direkt per email bei uns melden:
Grenzregion Mazedonien-Serbien
Unser erster größerer Halt nach zweitägiger Reise mit dem Auto über Tschechien, Ungarn und der Slowakei war Serbien. Anlaufpunkt war das kleine Dorf Miratovac im Süden Serbiens, nicht weit von der Grenze zum Kosovo und Mazedonien. Hier hat die Organisation Humedica mehrere ehemalige kleine Geschäfte angemietet, um Essen, Getränke, Kleidung, Hygiene Artikel und natürlich Informationen zu teilen.
Wir hatten ein wenig Glück mit dem Timing, da zum Zeitpunkt unserer Ankunft etwas Ruhe war bis die nächste größere Gruppe Geflüchteter erwartet wurde. So konnten wir uns in Ruhe mit den Aktiven vor Ort austauschen und einen Überblick über die etwas komplizierte Situation der Fluchtroute in dieser Region gewinnen.
Sinnlose Strapazen
Um die Situation in der Grenzregion im Süden Serbiens besser erklären zu können, muss man im Süden Mazedoniens anfangen: Die Mazedonische Regierung lässt aktuell lediglich Geflüchtete aus dem Irak, Syrien und Afghanistan ihre Grenzen legal passieren. Diese haben dann die Möglichkeit Mazedonien mit dem Zug zu durchqueren.
Am Ende der Route müssen sie jedoch den Zug verlassen. Gelangen in ein UNHCR Camp in der Grenzregion im Ort Tabanoce und müssen sich einem eineinhalb stündigen Verfahren der Registrierung und Durchsuchung unterziehen.
Danach können sie das Camp in Richtung Miratovac vier Kilometer bergauf zu Fuß verlassen. Lediglich kranke Menschen werden abgeholt.
In Miratovac ist wiederum die oben erwähnte UnterstützerInnen-Station, wo die Menschen Infos bekommen, Essen, falls nötig Kleidung und auch Informationen erhalten. Ein kleines Stück weiter fahren kostenlose Busse die Geflüchteten weiter nach Presovo, wo sie in einem relativ großen Camp wiederum ein Registrierungsverfahren durchlaufen und dann mit dem Bus oder Zug weiter nach Sid an die Serbisch-Kroatische Grenze fahren können.
Hier gibt es auch Informationen der serbischen Flüchtlingsorganisation
Sinnlose Strapazen
Absurd ist die Situation vor allem, weil der Umweg – und vor allem die vier Kilometer Strecke zu Fuß bergauf – theoretisch vollkommen unnötig wären. Der Zug könnte die Grenze direkt überqueren und bis Presovo fahren – das Camp in Presovo liegt direkt an der Bahnstrecke – oder weiter nach Belgrad fahren, wo die Menschen umsteigen und weiter nach Sid fahren könnten. Warum dies nicht passiert, hat wohl – wie überall – viel mit Subventionen, Korruption und der Illusion Grenzkontrollen würden einen reellen Beitrag zu Sicherheitssituationen beitragen zu tun.
Die Situation in den verschiedenen Camps und Spots
Die Situation an den verschiedenen Punkten vor Ort ist sehr unterschiedlich. Das Camp in Tabanoce kurz vor der Grenze und noch auf mazedonischer Seite, wird vom UNHCR und verschiedenen anderen Hilfsorganisationen betrieben und sieht wie eine kleine Container-Stadt aus. Zutritt war für uns als nicht-Teil der vor Ort aktiven NGOs nicht möglich. Wie gut die Situation vor Ort also ist, bleibt aus unserer Perspektive schwer zu sagen. Laut einer Aktivistin gibt es wohl lediglich Gemüsebrühe, die Menschen müssen aktuell aber maximal einmal dort nächtigen. Es gibt viele Sachspenden, die hier verteilt werden.
Im Camp in Presovo sind eine Vielzahl von NGOs und vor allem die UNHCR und MSF aktiv. Es gibt viele Zelte, Container und sehr lange Schlangen. Nach Aussagen Aktiver vor Ort beträgt wohl die Zeit ca. vier Stunden. Auf uns wirkte mit dem eingeschränkten Blick von außen wirkt aber alles recht gut strukturiert und organisiert.
Die Versorgungstation in Miratovac ist in jedem Fall sehr offen. Wenn ihr spontan helfen wollt, seid ihr hier genau richtig. Die Freiwilligen und seit kurzem auch zwei Hauptamtliche versorgen ankommende Geflüchtete nach dem beschwerlichen Fußmarsch mit Lebensmitteln, Kleidung und Hygiene-Artikeln. Zudem sind sie bei besonderen Problemlagen und Fragen ansprechbar. Humedica zahlt zudem (aktuell) eine Verpflegungspauschale von 10 € pro Tag, eine Wohnung für bis zu 10 Personen kostet ca. 230 € pro Monat. Momentan schaffen es die Aktiven vor Ort beispielsweise nicht zu kochen, obwohl der Bedarf da wäre, da es im Camp unten wohl lediglich Brühe gibt. Eine gute Idee für alle, die also Lust hätten direkt an der Balkan-Route zu helfen, ist sich ein paar Freundinnen und Freunde zu schnappen, etwas Kochausrüstung zu besorgen und runter zu fahren. Für Absprachen und Ankunftklärung könnt ihr euch bei Cynthia vor Ort per WhatsApp unter folgender Nummer melden: 0049 1762111 7346
Absurdes & Skurriles
Zu der ohnehin etwas merkwürdigen Situation vor Ort kommen einige zusätzliche Skurrilitäten hinzu. So schwanken die Zahlen und Ankunftszeiten der mazedonischen Züge beispielsweise stark, da es einen Konflikt mit den Taxifahrer*innen gibt, die zu Beginn die Geflüchteten gefahren haben und denen durch die Züge viele Einkünfte entgehen. So soll es sogar zu Gleisblockaden mit Taxis gekommen sein.
Und auch in Miratovac spielen die Taxifahrer eine recht besondere Rolle. So hat sich gefühlt jeder Mann im Dorf, der ein Auto besitzt, ein Taxischild dafür besorgt und wenn ein neuer Zug ankommt, stehen die Taxis am Berg, um auf die Geflüchteten zu warten. Dann erzählen sie den Geflüchteten, das Camp sei 10 km entfernt, um sie in die Taxis zu bekommen und etwas Geld zu verdienen. Absurd ist dies vor allem, weil gute 50m weiter kostenlose Busse stehen, die Geflüchtete ebenfalls in Camp bringen. Die Aktiven in der Versorgungstation in Miratovac dulden dies jedoch, da die Taxifahrer auch des öfteren Nachts Familien und Kinder mal umsonst mitnehmen. Das dritte Glied in dieser Symbiose ist die Polizei, die den Taxifahrern wohl auch noch Geld abnimmt. Für das bitterarme Serbien scheinen die Geflüchteten zumindest in dieser Region ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden zu sein.
So ist die Stimmung gegenüber den Geflüchteten wohl auch recht gut. Probleme machen dafür Konflikte zwischen Serben und Albanern. Im Camp am Fuße des Berges sollen sowohl Albaner als auch Serben arbeiten, was regelmäßig zu heftigen Auseinandersetzungen führe.
Nächster Stopp: Idomeni
Der nächste angepeilte Stopp ist die Griechisch-Mazedonische Grenze, nachdem wir zunächst in der mazedonischen Hauptstadt Skopje genächtigt haben. In der griechischen Grenzstadt Idomeni sind bereits einige Aktivist*innen, die dort ein Haus gemietet haben, das wir besuchen werden.
Tolle Bilder, Toller Beitrag. Danke für die Infos aus erster Hand.
Danke für den Beitrag und Danke für euren Mut. (gibt es ein Spendenkonto?)
Herzliche Grüße an Alle