2016 – Ein Rückblick aus Sicht der Unterstützenden

2016 war ein Jahr voller Ereignisse, die uns bewegt haben. Die uns auch besonders bewegt haben, weil die Welt für uns, die wir unseren Alltag mit den Geflüchteten und Asylsuchenden aus so vielen Ländern teilen, sehr nahe rückt.

Aleppo is burning – again and again und die Welt sieht zu. In Afghanistan sterben die Verwandten unserer Freund*innen wie Fliegen, durch Terror, durch Taliban und den Islamischen Staat, aber eigentlich ist es dort „sicher“, wie uns die Bundesregierung versichern will. Im Iran gibt es keine Freiheit, trotzdem verhandelt Deutschland auf einmal über Wirtschaftsabkommen. Ghana hat zwar einen neuen Präsident, aber noch immer nicht genug Perspektiven für diejenigen, die dort geboren werden. In Mauretanien kann man nicht als Atheist leben und Demonstrationen gegen die Regierung können tödlich enden. Und das Regime in Eritrea knechtet weiter. …so viel mehr Geschichten müssten erzählt werden.

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Sammel-Aktion: Smartphones und Kameras für Menschenrechte in Honduras

„Rostock hilft“ ruft in den kommenden Tagen bis Ende November zu einer Sammel-Aktion auf: Gesucht werden funktionierende Smartphones oder andere Handys und digitale Kameras, die die Möglichkeit haben, Fotos und Videos zu machen. Und zwar nicht just for fun, sondern um damit die Verletzung von Menschenrechten in Honduras dokumentieren zu können.

Wir haben eine Mitstreiterin der honduranischen Menschenrechtler_innen interviewt, die die Aktion in Rostock initiiert hat.

Rostock hilft: „Momo du kommst aus Rostock, bist Medienaktivistin und hast von Februar bis Juli 2016 in Honduras gelebt und dort mit COPINH zusammengearbeitet. Was ist COPINH?“

Momo: „COPINH ist der „Zivile Rat der indigenen und Basisorganisationen Honduras“, in dem 200 Gemeinden der indigenen Lenca organisiert sind. Seit 23 Jahren kämpfen sie gegen die neoliberale Ausbeutung ihres Landes bspw. durch Bergbau- und Wasserkraftprojekte und verteidigen ihre Gemeingüter wie Wälder und Flüsse. Sie setzen sich für ihre Rechte und insbesondere die Rechte der Frauen ein und bauen Alternativen auf, um ihre Autonomie zu stärken, wobei die Rückbesinnung und das Wiederbeleben der eigenen indigenen Kosmovision (Weltanschauung) eine wichtige Rolle spielen. Über COPINH gibt es auch eine Doku, die ihr auf Youtube sehen könnt.

Rostock hilft: „Und nun sammelt ihr Smartphones für die Gemeinden, warum?

Momo: „Um die Kämpfe der Gemeinden breiter bekannt zu machen und somit die Widerstände
zu stärken, sind eigene Medien wichtig. COPINH hat bereits 5 „radios comunitarios“ aufgebaut und weitere sind in Planung. Als Rostocker*in kann man sich das vielleicht ein bisschen wie Radio LOHRO vorstellen, nur viel kleiner und alles komplett selbst organisiert bzw. finanziert. Diese Radios spielen eine wichtige Rolle, um die Menschen zu informieren und zu mobilisieren. Die Smartphones haben den Vorteil, dass sie vielseitig eingesetzt werden können, bspw. im Radio zum Einspielen von Musik und Beiträgen aber auch bei der Foto- und Videodokumentation.

Rostock hilft: „Und dann schickt ihr den Leuten einfach die Smartphone und sie legen los mit der Dokumentation?“

Momo: „Nicht ganz. COPINH hat selbst über die Jahre gemeinsam mit solidarischen Organisationen immer wieder Weiterbildungen im Bereich freie Kommunikationsmedien realisiert, sie freuen sich aber auch auf die Unterstützung aus dem Ausland. Bisher lag der Fokus auf den Radios, da durch sie viele Menschen erreicht werden. Ich werde 2017 wieder in Honduras sein und in den Gemeinden praktische Workshops zur Foto- und Videodokumentation geben. Die Idee ist, dass es in möglichst vielen Gemeinden ein Medienteam gibt, die das Equipment und die Kenntnisse haben, um aus ihrer Sicht heraus zu dokumentieren. Und genau dafür brauchen wir die Spenden.“

Rostock hilft: „Was werden die Leute denn voraussichtlich mit den Handys und Kameras dokumentieren?“

Momo: „Honduras liegt in Zentralamerika und da es in den deutschen Medien nicht Thema ist, wissen wir kaum etwas über die alarmierenden Verhältnisse dort. Honduras ist das gefährlichste Land auf der Welt für Menschenrechtsverteidiger*innen. Es ist geprägt von hoher Korruption, Straflosigkeit, einer rasant ansteigenden Militarisierung und einem Ausverkauf des Landes. Die Regierung setzt die Interessen von nationalen und transnationalen Firmen entgegen den Bedürfnissen der eigenen Bevölkerung durch – und zwar mit Gewalt. Besonders die Rechte der indigenen Bevölkerung fallen dem sogenannten „Fortschritt“ zum Opfer. Es geht also um die Dokumentation der Verletzung ihrer Rechte aber auch die der Übergriffe durch Polizei, Militär und gewalttätige Befürworter*innen der Projekte. Das ist nicht nur wichtig, um der verfälschten Darstellung in den Medien etwas entgegen zusetzen, sondern kann auch bei juristischen Prozessen hilfreich sein.“

Rostock hilft: „Was bedeutet denn „Ausverkauf des Landes?““

Momo: „Von der aktuellen Regierung wurden in nur einer Nacht mehr als 300 Wasserkraftprojekte, 150 Bergbaukonzessionen und mehr als 40 Windkraftprojekte genehmigt. Somit steht 35% von Honduras unter Konzessionen und 50% davon befinden sich auf Territorium der indigenen Lenca. Die Konzerne und die Regierung ignorieren das Recht der lokalen Bevölkerung auf eine vorherige, freie und informative Befragung, arbeiten gezielt mit Lügen und versuchen Behörden und Bewohner*innen zu bestechen. Und wenn sich die Gemeinden gegen diesen sogenannten “Fortschritt” aussprechen, werden sie bedroht, verhaftet, kriminalisiert oder ermordet, wobei die Regierung zur Umsetzung ihrer Interessen Polizei und Militär einsetzt.
Rostock hilft: „Da gab es ja auch den international sehr bekannt gewordenen Mord an Berta Cacéres im März 2016…“

Momo: „Ja. Berta war Mitbegrǘnderin und Generalkoordinatorin von COPINH. Durch ihren energischen Kampf stand sie den Interessen von Regierung und Firmen im Weg. Für ihren Einsatz bei der Verteidigung des Flusses Gualcarque gegen ein von der Firma DESA gebautes Wasserkraftprojekt, hat sie 2015 in den USA den GOLDMAN-Preis erhalten, den Nobelpreis für Umwelt. Mit Berta sind es bereits 5 Menschen, die in diesem Konflikt ihr Leben verloren haben. Bei ihrem Mord wurde die Verstrickung der Firma DESA, Militär und der Regierungen in den Auftragsmord bekannt, weil es zufällig einen Zeugen gab, der den Anschlag überlebt hatte.
Die Gemeinden von COPINH kämpfen weiter für ihre Rechte und die Dokumentation von Unrecht ist dabei ein wichtiges hilfreiches Mittel. Deswegen die Sammelaktion. Danke für eure Unterstützung!“.

„Rostock hilft“ sprach mit Momo über die Sammelaktion für Smartphones und digitale Kameras. Checkt die „Dinge-die-ich-auf-jeden-Fall-noch-irgendwann-benutzen-werde“-Schublade und sortiert alles aus, was noch brauchbar ist! Fragt auch bei Freundinnen und Freunden, ob sie Geräte haben, die sie nicht mehr brauchen. Bringt die Handys in den Öffnungszeiten des „Rostock hilft“-Büro am Donnerstag zwischen 17:00 – 19:00 Uhr oder am Freitag zwischen 15:00 – 17:00 Uhr vorbei. Unser Büro findet ihr unter dem Marientreff, die Adresse ist Bei der Marienkirche 1b, 18055 Rostock.
Muchas Gracias!!!!

Offener Brief: Integration muss möglich sein – Freizügigkeit als Zeichen gegen Rechts-Populismus!

Flüchtlingsinitiativen
Rostock hilft, Flüchtlingshilfe Schwerin e.V., Greifswald hilft Geflüchteten, DOT.KOM Verein für demokratische Orientierung und Teilhabe e.V.
An der Marienkirche 1a
18055 Rostock

Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern
Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern
– Staatskanzlei –
19048 Schwerin

22. August 2016

Offener Brief: Integration muss möglich sein – Freizügigkeit als Zeichen gegen Rechts-Populismus!

Sehr geehrte Damen und Herren,
guten Tag Herr Caffier,

vor rund einer Woche wurde von der Bundesregierung das sogenannte „Integrationsgesetz“ erlassen. Teil des Gesetzes ist die sogenannte Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge. Das Innenministerium MV hat noch keine weiteren Erlasse zu diesem Thema veröffentlicht. Die Ausgestaltung des Gesetzes innerhalb MVs steht noch aus.

Es ist an der Zeit, sich klar zu positionieren: Freizügigkeit als idealistisches wie auch realpolitisches Zeichen gegen Populismus von rechts!
Entscheiden Sie sich im Innenministerium also

• gegen Wohnsitzauflagen innerhalb des Bundeslandes und
• gegen ein Zuzugsverbot in größere Städte.
• FÜR Freizügigkeit innerhalb Mecklenburg-Vorpommerns!

Die Wohnsitzauflage ist nur oberflächlich betrachtet ein Instrument der Integration. Vielmehr nimmt sie Menschen das Recht, über ihr eigenes Leben bestimmen zu können. Sie ist ein tiefer Eingriff in die Freiheit und die Rechte jedes einzelnen anerkannten Flüchtlings.
Grundvoraussetzung von Integration ist zu aller erst, denjenigen, die neu in Deutschland angekommen sind, Handlungsspielräume zu eröffnen. Integration kann nur unter der Voraussetzung gleicher Rechte geschehen.

Demokratische Grundwerte können nicht vermittelt werden, indem sie außer Kraft gesetzt werden: Weder den Asylsuchenden, noch dem Teil der Bevölkerung, der sich enttäuscht vom politischen System in der AfD vertreten sieht. Der Beginn eines neuen Lebensabschnitts in Mecklenburg-Vorpommern bewegt sich für die meisten der Asylsuchenden im Spannungsfeld zwischen der Offenheit der Willkommens-Initiativen und unverhohlenem und leider oft gewalttätigem Rassismus. Gerade die alltäglichen Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen, die Asylsuchende immer wieder schildern, dürfen nicht geleugnet werden.

Das Innenministerium gestand jüngst in Rostock-Groß Klein ein, dass es einen ausreichenden Schutz vor gewalttätigen Übergriffen derzeit nicht garantieren möchte. Umso wichtiger ist es, den Betroffenen die Möglichkeit offen zuhalten, ihren Wohnort dort zu wählen, wo sie sich selbst möglichst sicher fühlen.

Rassismus und seine gewalttätigen Äußerungsformen können wir nur verhindern, indem wir ihnen deutlich mit positiven Entwürfen von Gleichberechtigung begegnen.

Ermöglichen Sie es den anerkannten Flüchtlingen also, dort zu leben, wo sie es möchten. Die Gründe für die Wohnortwahl können vielfältig sein:

Anknüpfungspunkte zu Unterstützungsstrukturen und Beratungsstellen oder die Nähe zu Freund_innen, mit denen ein Austausch über die ersten Erfahrungen in Deutschland möglich ist.

Ein sicheres Aufwachsen der Kinder in größeren Städten, wo rassistische Übergriffe auf offener Straße zumindest seltener sind.Für viele Flüchtlinge ist auch der leichtere Zugang zum Arbeitsmarkt ein gewichtiger Grund für den Umzug.

Viele Flüchtlinge aus Syrien und Eritrea – die Länder mit der höchsten Anzahl an Flüchtlingsanerkennungen – sind in den letzten Monaten bereits innerhalb MVs umgezogen. Das neue Gesetz gilt für alle, die ihre Anerkennung seit dem 1. Januar 2016 bekommen haben.
Zwingen Sie Sie nicht, in andere Orte zurück zu kehren! Lassen Sie die Geflüchteten zur Ruhe kommen, möglichst am Ort ihrer Wahl.

Zeigen Sie mit der Regelung des §12a des Aufenthaltsgesetzes im Sinne der Freizügigkeit für alle Bewohner_innen Mecklenburg-Vorpommerns, dass die Willkommenskultur auch im politischen Alltag angekommen ist. Rechtspopulismus lässt sich nur mit konsequenter Offenheit und Gleichberechtigung begegnen!

Es zeichnen diesen Brief
Rostock hilft
Flüchtlingshilfe Schwerin
Greifswald hilft Geflüchteten
DOT.KOM Verein für demokratische Orientierung und Teilhabe e.V.

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Initiativen die den Brief mit zeichnen möchten, tragen sich bitte einfach im Kommentarfeld ein: