Die Stimmen der Jugendlichen aus Groß-Klein: „Ich bin hier um zu leben. In Sicherheit und Freiheit.“

In den vergangenen Tagen wurde in verschiedenen Medien in ganz Deutschland über die Situation in Rostock-Groß Klein berichtet. Weil Innenministerium, Polizei und Stadtverwaltung ein zweites „Rostock-Lichtenhagen“ befürchten, zogen einige Jugendliche in einen anderen Stadtteil.

„Rostock hilft“ fiel auf, dass in der ganzen Debatte nirgends direkte Fragen an die asylsuchenden Jugendlichen, die in Groß Klein leben, gerichtet wurden. Wir haben deshalb mit einem der Jungen gesprochen, die derzeit dort wohnen. Er ist seit fünf Monaten in Rostock. Sein Weg begann in Afghanistan. Er möchte nicht namentlich genannt werden, da er Angst um seine Familie in Afghanistan hat.

Wir haben über die Situation vor Ort und seine Wünsche in Deutschland gesprochen. Das Gespräch fand auf deutsch statt. Im Folgenden lest ihr eine Zusammenfassung des Gesprächs, die wir gemeinsam erarbeitet haben. „Die Stimmen der Jugendlichen aus Groß-Klein: „Ich bin hier um zu leben. In Sicherheit und Freiheit.““ weiterlesen

Team Balkan HRO #4: Die Insel Kos

Es bleibt in Idomeni an der Grenze griechisch-mazedonischen Grenze weiter ruhig – das macht uns langsam selbst unruhig, daher beschliessen wir jetzt doch auf eine Insel zu fahren. Wir entscheiden uns für Kos, da hier eine gute von Locals getragene Struktur vorhanden sein soll.

Wir lassen das Auto in Thessaloniki und fahren mit dem Zug nach Athen, dann mit der Nachtfähre nach Kos.
Mit uns an Bord der „Blue Star Ferry“ ist eine große Gruppe junger Männer mit Hooliganausstrahlung. Beim Anlanden sehen wir wie diese ca 60 in drei große Polizeibusse steigen – Aufstockung wegen des neuen Hotspots?

Das Spenden-Lager erinnert uns stark an das heimische Grüne Ungeheuer
Das Spenden-Lager erinnert uns stark an das heimische Grüne Ungeheuer

Bereits am Anleger treffen wir die Nachtwache von „Kos Solidarity“. Ganz in der Nähe des Piers an dem die Küstenwache Boote von Geflüchteten anlanden lässt (jedenfalls in den Fällen, in denen diese nicht frühzeitig abgedrängt und wieder Richtung Türkei geschleppt werden) stehen sie mit Kleidung, Schuhen, Schlafsäcken und Essen.

Wir lassen uns erklären wo das „Warehouse“ – also das Spendenlager ist und treffen dort etwas später auf Freiwillige aus Deutschland, Australien und aus Griechenland. Die nächsten Stunden führen wir intensive Gespräche, machen eine Tour über die Insel und bekommen dabei folgende Eindrücke:

Struktur vor Ort

Kos hat zwei große Strände. An beiden kommen vorwiegend zwischen abends um zehn und morgens um acht Boote mit Geflüchteten aus der nur 5 km entfernten Türkei an. Boote auf Kos haben nur im Schutze der Nacht oder Dämmerung die Chance an der türkischen Küstenwache vorbeizukommen Aktuell ist auch hier die Lage ruhig. In den letzten Nächten kamen keine bis maximal 60 Menschen an. Stärker ausschlaggebend als die starken Patrouillen von NATO und Frontex wird hier der starke Seegang eingeschätzt. „Auch mit Patrouillen gibt es sonst Wege“.

Nicht das einzige Schiff der Küstenwache auf Kos.
Nicht das einzige Schiff der Küstenwache auf Kos.

Die Boote, die um die Kontrollen auf dem Wasser herumkommen werden entweder von der hier aktiven italienischen Küstenwache an Land von Kos gebracht oder sie erreichen selbstständig und quasi „unter dem Radar“ die Strände. Da beim Anlanden viele Unfälle passieren, die Menschen klatschnass und meist ohne jegliche Habseligkeiten aus den Booten klettern, patroullieren sowohl „Kos Solidarity“ als auch andere NGOs wie „Team Sweden Volunteers“, „ Human 2 Human“ und das UNHCR zu Fuß oder mit Autos und Bussen am Strand. Nicht immer geht alles gut. Die Helfenden hier erzählen viele Geschichten von Ertrunkenen und stark verletzten Menschen.

Die Menschen, die es an Land schaffen werden von „Kos Solidarity“ grundversorgt und dann vom UNHCR „eingesammelt“, direkt zur Polizeistation gebracht, hier werden Fingerabdrücke abgenommen und alle Ankommenden registriert. In einem zweiten Registrierungsschritt wird am nächsten Tag der griechische 30 Tage gültige Reisewaver ausgestellt. Hier ist es noch ganz egal wer woher kommt. Nur mit diesem Reisewaver ist es möglich ein Ticket für die Fähre nach Athen zu kaufen.

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Das UNHCR Camp wird erst für die Unterbringung von Geflüchteten genutzt, wenn die drei von UNHCR und Save the Children gezahlten Hotels voll sind.

Bis zur Abreise Richtung Athen sind die Menschen in Hotels und Camps untergebracht. Das UNHCR hat Verträge mit einigen Hotels, bis zu 300 Menschen finden hier Platz. wenn die voll sind, kommen Geflüchtete in ein Camp nahe des Hafens. Die Verpflegung übernimmt auf Kosten des Mercy Corps ein Restaurant. Mittags und Abends gibt es hier in netter Atmosphäre warmes Essen und ein social get together. Insgesamt scheint die Struktur sehr gut, jedoch nicht für große Menschenzahlen geeignet. Bei größeren Zahlen Ankommender war die Situation in den letzten Wochen wohl dramatisch, so dass viele auf der Straße schlafen mussten.

Freiwilligen Struktur

Schon vor den offiziellen NGOS war „Kos Solidarity“ stark engagiert. Dieses lokale Netzwerk besteht aus ca. 20 aktiven Menschen von der Insel. Seit letztem Oktober werden sie finanziell und personell durch den deutschen Verein „Flying Help“ unterstützt.

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Bevor MSF, UNHCR und die anderen „Großen“ auf der Insel ankamen sorgte „Kos Solidarity“ auch für die Verpflegung und die Unterkunft. Jetzt kümmern sie sich hauptsächlich um das Spendenlager, das gleichzeitig als Büro und Treffpunkt dient, und die Nachtschichten. Die Engagierten von hier die neben ihren Berufen, in ihrem Alltag die Zeit finden mal eben noch 300 Portionen Essen zu kochen, nachts mit dem Motorroller Patrouille zu fahren, Verletzte ins Krankenhaus zu bringen – und morgens wieder zur Arbeit zu gehen hinterlassen Eindruck bei uns.

Politische Kämpfe

Allerdings kann auch die vor Ort sehr gut erscheinende Struktur schnell an seine Grenzen kommen. So fassen die drei Hotels und das kleine Camp lediglich 350 Personen. In den Hochzeiten im vergangenen Jahr kamen jedoch an einigen Tagen allein 1.500 Menschen auf der kleinen Mittelmeer-Insel an. Die Menschen sind dann dazu genötigt auf der Straße zu schlafen. Uns wurden immer wieder dramatische Szenen beschrieben.

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Die ehemalige Unterkunft im mitlerweile geschlossenen „Captain Elias“.

Das die Struktur nicht weiter ausgebaut wurde und sich die humanitär kaum tragbare Szenerie des letzten Jahres wiederholen kann, hat vor allem politische Gründe, berichten uns Aktive von „Kos Solidarity“. So macht der Bürgermeister von Kos immer wieder Probleme, um der Regierung Unvermögen attestieren zu können. Oder wie uns von Leuten vor Ort auch den Bürgermeister beschrieben: „He’s a racist.“ So kündigte er wohl bei der Ankunft der ersten Geflüchteten an diesen „keine Flasche Wasser“ zu geben und lies in Folge der steigenden Zahlen schutzsuchender Menschen die öffentlichen Toiletten im Ort schließen.

Auch das über private Kontakte bereit gestellte ehemalige Hotel „Captain Elias“ bot zumindest einen Ort zum verweilen, als im letzten Sommer täglich bis zu 1500 Menschen auf der Insel ankamen, lies der oberste Insel-Politiker schließen. Die Sanitäranlagen waren wohl unzureichend, durch die Aktivitäten von Kos Solidarity und MFS wurde das Gebäude aber mehr und mehr in Stand gesetzt. Dieses wurde dann vom Bürgermeister unterbunden – die Geflüchteten und Aktiven durch die Polizei aus dem Gebäude geräumt. Bis heute ist es umzäunt und fest verschlossen.

Der Hotspot – Proteste und überraschende Unterstützer*innen

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„OXI Hotspot“ – „Nein zum Hotspot“, Demoplakat.

Einer der Gründe der in den vergangenen Tagen unser Augenmerk auf Kos als möglicher Anlaufpunkt richtete, war der Bau eines sogenannten Hotspots, der von heftigen Protesten auf der Insel begleitet wurde.

Bereits zum zweiten Mal wird grade versucht ein Hotspot auf der Insel fertig zu stellen der 1.500 Leuten Raum geben soll. Dieser wird sehr unterschiedlich betrachtet. Manche fürchten, dass hier eine Art Deportationscamp errichtet wird, dass die Geflüchteten aus dem Gebäude mitten auf einem Militärgelände nicht selbstständig ein und ausgehen können, dass hier keine NGO´s mehr erlaubt sein werden, dass Refugees bereits hier „sortiert“ werden und die illegalisierten zurückbehalten beziehungsweise deportiert werden, ohne weitere Chance ihre Zielländer in Europa zu erreichen, geschweige denn ihr individuelles Grundrecht auf Asyl wahrnehmen zu können.

Andere fürchten, dass dieser Hotsport eine Art Anreiz für weitere Geflüchtete darstellen wird, dass es ihnen dadrin „zu gut“ gehen werde, dass die Insel und die einzelnen Unternehmen Schaden nehmen werden, da Geflüchtete schlecht für den Tourismus seien. Wieder andere finden nicht gut, dass die Geflüchteten dann nicht mehr in den lokalen Shops einkaufen und so nicht mehr ein positiver Wirtschaftsfaktor sein werden.

Am ersten geplanten Hotsport haben aufgebrachte Inselbewohner*innen 24/7 gecampt und protestiert, so wurde letztlich wirklich ein anderer Ort gefunden: ca 15 Kilometer außerhalb der Stadt Kos, auf einem Hügel inmitten einer großen Militärbasis, umgeben von einem hohen Zaun. Wir werden vor Ort von einem Mann in Zivil, der sich selbst als „some kind of private detective“ bezeichnet, abgehalten überhaupt bis an den Zaun zu kommen. Er gibt uns aber seine Meinung preis: der Protest sei unnötig, da 1500 Leute nicht viel wären für eine so große Insel.
Auch vor dem neuen Hotspot gab es schon gewalttätige Proteste. Die Leute von Kos Solidarity glauben, dass auch dahinter der Bürgermeister steckt und die Menschen aufwiegelt: „Wenn du die fragst, dann wissen die gar nicht, wogegen die eigentlich genau protestieren.“

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Der im Bau befindliche Hotspot, bewacht von Polizei.

Der Hotspot selbst befindet sich noch im Bau und wir sehen lediglich den Rohbau und Kräne aus der Ferne. Es bleibt trotzdem ein eher ungutes und mulmiges Gefühl.

Grenzsituation

Unsere Nachtschicht bleibt ruhig, es kommt niemand an. Aber wir hören am nächsten Tag von „Team Sweden Volunteers“ und deren Patrouille, dass sie am Strand eine große Gruppe „merkwürdig aussehender“ Menschen gesehen haben, mit Autos. „Was machen die da, mitten in der Nacht, unter der Woche, an den Plätzen wo wir immer sind? Warum machen die Fotos von uns im Vorbeifahren? – Wir sind nicht ausgestiegen, wir hatten Angst vor denen“, berichtet eine Helferin.

Mit dem Nachtsichtgerät hat die Patrouille von einem anderen Punkt aus dann gesehen, wie erst ein vermutliches Flüchtlingsboot auf die griechische Küste zuhielt, dann ein anderes Boot (nicht markiert als Küstenwache oder ähnlichem) auftauchte und dann das vermutliche Flüchtlingsboot auf einmal verschwand. Dies deckt sich mit Berichten die Human Rights Watch auf anderen Inseln gesammelt hat, wonach maskierte Männer auf Boote ohne Hoheitsabzeichen oder Markierungen unterwegs sind, die gezielt die Motoren der Boote zerstören und/oder Geflüchtete in ihren Booten wieder Richtung Türkei schleppen.

Nur 5 km bis in die Türkei: links die Küste von Kos, rechts die türkische Stadt Bodrum.
Nur 5 km bis in die Türkei: links die Küste von Kos, rechts die türkische Stadt Bodrum.

Hier auf der Insel ist die Idiotie der Fluchtroute besonders deutlich vor Augen. Die türkische Küste ist nur 5 km entfernt, wir können Häuser sehen. Regelmäßig fahren kleine Fährboote nach Ismir und zurück – allerdings ohne Geflüchtete mitzunehmen. Es ist ein widerliches Gefühl dieser Seite nur darauf zu warten ob Menschen es unbeschadet rüber schaffen, oder ob wieder Boote kentern, Menschen ertrinken. Safe passage now!

Langsam kommen auf den Inseln wieder mehr Menschen an, nur auf Kos bleibt es grade noch relativ ruhig. Wir hören immer wieder von Push Backs an den verschiedenen Grenzen, davon, dass der Parkplatz in Polykastro jetzt wieder ein temporäres Camp für bis zu 1000 Leuten ist, davon, dass auf der Insel Kastellorizo (mit nur 300 Einwohnenden ) grade 900 Menschen warten, auf einer unbewohnten Insel daneben nochmal 300 Leute.
Wir sind geschockt von den immer krasseren und menschenverachtenden Maßnahmen an den Grenzen, täglich wird es heftiger. Was wir als nächstes tun sollen, wissen wir noch nicht.

Team Balkan HRO #3: Die Ruhe vor dem Sturm?

In den letzten zwei Tagen waren wir in der Grenzregion im Norden Griechenlands unterwegs: von der Grenzstadt Idomeni bis zur Metropole in Nord-Griechenland Thessaloniki.

Idomeni: Grenzübergang und das Lager

Schon bei der Betrachtung der Grenze von Mazedonischer Seite am Mittwoch begleitete uns ein beklemmendes Gefühl: viel Stacheldraht, Polizei und Militär. Ähnliches sehen wir auch von griechischer Seite, als wir am Donnerstagmorgen das Camp und die Grenzanlagen in Idomeni besuchen. Auch hier werden die Grenzanlagen verstärkt, auch wenn deutlich weniger Polizeipräsenz vor Ort ist und die griechische Regierung, im Vergleich zur mazedonischen, auf Militär an den Grenzen verzichtet.

Auch auf griechischer Seite wird der Grenzzaun verstärkt.
Auch auf griechischer Seite wird der Grenzzaun verstärkt.

Die Stimmung im Camp unmittelbar an der Grenze wirkt jedoch recht entspannt. Etwas kurios anzusehen sind allerdings einige Kleinunternehmen wie Sandwich- und Eisstände direkt davor. Im Lager selbst sind wieder eine Vielzahl von NGOs und vor allem das UNHCR vertreten. Vor Ort sind einige hundert Menschen, was angesichts der Erzählungen von Aktiven vor Ort relativ wenig ist. Auch die Schlange direkt am Grenzübergang, der eigens für Geflüchtete errichtet wurde, wirkt relativ kurz und entspannt. Trotz dessen werden wir das Gefühl nicht los, dass dies nur die Ruhe vor dem Sturm ist.

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Syrien, Irak, Afghanistan – alle anderen bleiben auf der Strecke

Eine recht erschreckende Erfahrung, die uns auch schon in den letzten Tagen begleitete, ist die pauschale Separierung der Geflüchteten bereits an der griechisch-mazedonischen Grenze. Hier kommen nur Menschen aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan weiter. Das individuelle Recht auf Asyl, also die Möglichkeit sein persönliches Schicksal vorbringen zu können, wird ausgehebelt weit bevor die Menschen auch nur in die Nähe Kern-Europas kommen. Auf der Strecke bleiben dabei unter anderem Menschen aus Staaten wie dem Iran, Eritrea oder Somalia in denen drastische Menschenrechtsverstöße geschehen. Die erste grobe Separierung wird auf den griechischen Inseln vollzogen und findet erneut an der griechisch-mazedonischen Grenze statt. Die mazedonischen Behörden gehen dabei soweit, dass an den Grenzkontrollposten Sprachtests in Form eines Interviews durchgeführt werden, um anhand des Dialekts feststellen zu können, ob die Menschen aus der von ihnen angegebenen Region kommen. Zudem werden geographische oder andere landeskundige Informationen abgefragt.P1000326

Was mit den Menschen passiert, die auf diese Weise illegalisiert werden, ist weitgehend unklar. Es ist die Rede davon, dass sie sich ihren Weg suchen werden, wie auch immer dieser aussieht, Geschichten dazu gibt es viele.

Ein kleines Stück entfernt von Idomeni treffen wir einige Aktivist*innen, die sich ein Haus gemietet haben und an verschiedenen Spots unterwegs sind, Essen kochen und verteilen, aber auch andere nötige Sachspenden weitergeben. Sie berichten uns, dass viele der Illegalisierten versuchen die Grenze zu Fuß zu überqueren und Mazedonien dann abseits der Straßen ebenfalls zu Fuß zu durchqueren. Dabei ist es kaum möglich die Menschen zu unterstützen. In Griechenland ist es bereits verboten illegalisierten Menschen Informationen zu geben, aber immerhin dürfen Lebensmittel und Kleidung verteilt werden. Währenddessen droht Menschen, die nur mit Illegalisierten zusammen erwischt werden, in Mazedonien das Gefängnis.
Werden die illegalisierten Menschen auf ihrer Flucht erwischt drohen verschiedene Dinge: wir hören von Gefängnisstrafen in Mazedonien, andere werden wohl nach Athen zurück geschickt. Ob hier immer ein Gefängnisaufenthalt auf die Menschen zukommt ist unklar, die Informationen gehen hier auseinander. Bisher hören wir aber, dass Griechenland keine Menschen deportiert.

Viele der illegalisierten Menschen bleiben also wahrscheinlich zunächst in Griechenland. Was mit ihnen in Zukunft passiert, bleibt eine der großen Fragen, die uns wahrscheinlich auch den Rest der Reise begleiten wird.

Vom kurzen Warte-Stopp zum Auffanglager

Nach einem ausführlichen Austausch mit den Aktivist*innen in der Nähe von Idomeni, denen wir auch noch etwas von den speziell für die Reise gesammelten Spenden für neue Kochgeräte da gelassen haben, ist unser nächstes Ziel eine Tankstelle zwischen Idomeni und Thessaloniki, kurz hinter der Kleinstadt Polykastro. Hier war die Situation Berichten zufolge in den letzten Tagen besonders angespannt. Zunächst war diese Tankstelle nur ein kurzer Warte-Stopp für Busse, die Geflüchtete aus Athen an die Grenze brachten, wenn das Camp in Idomeni selbst zu voll war. Dies geschah weil sich die Menschenmassen auf Grund der aufwendigen Kontrollen an der Grenze stauten. Man erzählte uns, dass noch wenige Tage zuvor auf Grund des großen Rückstaus, mehrere Busse mit insgesamt um die 5.000 Menschen sich an der Raststätte aufhielten.

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Mittlerweile ist es zu einem richtigen Lager geworden, indem sich verschiedene NGO´s „angesiedelt“ haben. Seit letzter Woche sind auch „Ärzt*innen ohne Grenzen“ und UNHCR vor Ort und brachte den Großteil der Logistik zur Versorgung und Zelte zum Übernachten.

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Ein Flüchtlings-Camp gebaut mit IKEA-Bausätzen.

Schon seit einigen Tagen fragte Sara sich, wie das mit diesen ganzen UNHCR Zelten eigentlich läuft: „Kommt da einer und wirft überall an der Strecke diese UNHCR Zelte ab?“. Und ja, irgendwie ist das so. Auf dem Parkplatz der Tankstelle spricht uns nach kurzer Zeit eine Person mit einem etwas schief sitzenden UNHCR-Basecap an und fragt, ob wir helfen könnten UNHCR-Zelte aufzubauen. Sein Name ist Danesh und er sei bis Mittwoch da und ist der Zuständige um hier das Camp zu errichten. Den restlichen Donnerstagnachmittag verbringen wir dann damit, zusammen mit einigen von der UNHCR angestellten Arbeiter*innen aus der Region, zwei „BetterShelter“-Hartplastik-Zelte aufzubauen. Diese erinnern schon beim Aufbau an einen Ikea-Bausatz und wie wir dann später erfahren, werden sie tatsächlich von einer Tochterfirma von Ikea extra für die UNHCR hergestellt.

Neben den offiziellen NGO´s sind auch Gruppen von Freiwilligen vor Ort. Eine schweizer Gruppe, Leute von „Lighthouse“ die bisher auf Lesbos ein eigenes Camp betrieben haben und eine Gruppe aus den USA haben in den letzten Tagen ein eigenes Versorgungszelt bestückt und schieben Nachtschichten. Die No Border Kitchen kommt täglich mit einer warmen Mahlzeit vorbei. Wie zu erwarten rumpelt es auch hier ganz gut zwischen den Organisationen und den Freiwilligen, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten werden aktuell ausgehandelt. Während NGO´s an ihre strikten Vorgaben und Abläufe gebunden sind, können Freiwillige schneller und flexibler auf einzelne Menschen, Bedürfnisse und Problemlagen reagieren.

Es liegt etwas in der Luft

Der Eindruck, den wir von der Situation in Idomeni gewonnen haben, bestätigte sich auch an „the gas station“, wie das Lager vor Ort nur genannt wird: auch hier ist es ruhig und relativ entspannt. Vor Ort sind nur einige wenige Busse, die schnell abfahren. Einige Geflüchtete warten am Rande darauf, dass es weitergeht. Die Tankstelle selbst hat sich voll der Situation angepasst und das Sortiment auf abgepacktes Essen zum Mitnehmen, Rucksäcke, Gaskocher und allerlei anderes Outdoor-Equipment umgestellt.

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Doch die Ruhe wirkt trügerisch und auch im Gespräch mit Danesh vom UNHCR erfahren wir, dass sie damit rechnen, dass Mazedonien die Grenzen in Kürze komplett schließen wird. Dies ist auch ein Grund, warum das UNHCR möglichst schnell das Camp aufbauen will. Es wäre eine absolute humanitäre Katastrophe, da tausende Menschen in Griechenland festsitzen würden. Was dann mit diesen Menschen passiert, bleibt absolut unklar. Die Zelte die wir aufbauen, sind für drei Jahre gedacht. Danesh schließt nicht aus, dass Menschen über Monate und Jahre hier festsitzen könnten.

Zunächst wird aber erst einmal noch mit der Ankunft von gut einhundert Bussen gerechnet, die durch den Landwirt*innen-Streik in Athen und auf der Strecke zwischen Athen und Thessaloniki festsitzen sollen. Die Ankunft wird jederzeit erwartet, was die Anspannung vor Ort noch verstärkt. Ungewiss ist auch, ob die vielen Menschen die derzeit noch an der türkischen Grenze festsitzen, bald die Grenze passieren dürfen und hier ankommen. Die Helfer*innen vor Ort nutzen die ruhige Zeit, um sich so gut es geht auf die Ankunft vieler Menschen vorzubereiten, damit nicht noch einmal so ein Chaos wie Anfang Februar entsteht.

Thessaloniki – das „Haus ohne Grenzen“

Wir nutzen die Zeit, um uns derweil mit anderen Aktivist*innen zu vernetzten. In Thessaloniki stoßen wir dabei auf ein selbstverwaltetes Zentrum in einem besetzten Haus, indem internationale und griechische Aktivist*innen zusammen mit Refugees leben.

Auch wir können hier für eine Nacht unterkommen und abends beim Plenum bietet sich für uns die Möglichkeit des Austausch über unsere Erfahrung an den Grenzen, den gewonnenen Eindrücken und der vermeintlichen Hilflosigkeit gegenüber der staatlichen Handhabe mit Geflüchteten und deren Unterstützer*innen, sei es in Griechenland, Mazedonien, Deutschland oder sonst wo.
Das Haus weckt bei uns allen den Wunsch, einen solchen Ort auch in Rostock zu haben. Es ist ein Haus für Jede* und Jeden*, welche*r die Vision teilt die Welt ein Stück weit grenzenloser zu gestalten. Alle Bewohner*innen gestalten das Haus gemeinschaftlich.

Besonders schön ist das morgendliche Aufwachen auf dem Dach. Hier hatten wir uns nachts ein Tarp gespannt und draußen geschlafen. Einer der Bewohner hat uns bei seinem Morgengebet entdeckt. Er kommt mit Äpfeln, Rührei und Orangen um uns zu wecken, eine erste Morgenzigarette zu rauchen und ein wenig zu quatschen.

Nach einer Kühlschranktransportaktion in unserem Mietbus machen wir uns wieder auf den Weg nach Polykastro. Noch entscheiden wir uns dafür abzuwarten, wie die Lage sich hier entwickelt.