Offener Brief an Stadt und Land

Wir haben heute einen Offenen Brief an Stadt und Land verfasst und raus geschickt. Es geht um die Unterbringung und Betreuung von Asylsuchenden. Lest, teilt und verbreitet die Forderungen!

Sehr geehrter Ministerpräsident, Sehr geehrter Minister für Inneres und Sport, Sehr geehrte Ministerin für Arbeit, Gleichstellung & Soziales, Sehr geehrter Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur!

Sehr geehrter Oberbürgermeister, Sehr geehrter Senator für Jugend und Soziales, Schule und Sport, Sehr geehrter Leiter des Amts für Flüchtlingsangelegenheiten und Integration,

Wir wenden uns heute mit einem gemeinsamen Papier an Sie, weil wir aktuell Entwicklungen beobachten müssen, die uns Sorgen bereiten, manchmal auch wütend machen.
In unserem alltäglichen, ehrenamtlichen Engagement für Geflüchtete erleben wir immer wieder, wie angespannt die Lage ist – nicht nur in Rostock. Es fehlt an Ausstattung, ausreichender geeigneter Versorgung und Betreuung und ganz besonders Wohnraum, der eine menschenwürdige Unterbringung ermöglicht. Darunter leiden die ehrenamtlichen UnterstützerInnen und die professionell in diesem Bereich Tätigen gleichermaßen. Unmittelbar davon betroffen sind jedoch vor allem jene Menschen, die nach einer strapazierenden und nicht selten lebensgefährlichen Flucht endlich dort angekommen sind, wo sie einen Platz für sich erhoffen, an dem sie sich ausruhen und neue Lebensperspektiven entwickeln können.
Diese unhaltbare Situation hat viele Ursachen: Überforderung, Unsicherheit, aber auch Ignoranz. Seit langem haben ExpertInnen eine deutliche Zunahme der Asylsuchenden prognostiziert und entsprechende Vorbereitungen eingefordert. Passiert ist im Vorfeld jedoch viel zu wenig. Und auch in der aktuellen Situation werden aus unserer  Sicht Chancen vertan und vermeidbare Probleme geschaffen. Darauf wollen wir mit folgenden Forderungen reagieren.

Menschenwürdige Wohnbedingungen schaffen

Wir fordern Sie auf, die bestehenden Notunterkünfte schnellstmöglich zu schließen und auf die Einrichtung neuer  Notunterkünfte zu verzichten. Bestehende Unterkünfte, wie die in der ehemaligen HWBR und der „Alten Physik“,  müssen schnellstmöglich in Gemeinschaftsunterkünfte mit entsprechender Betreuung umgewandelt werden. Eine  mehrtägige Unterbringung in Turnhallen oder in Zelten insbesondere im Winter halten wir für inhuman und unnötig  und lehnen sie ebenso ab, wie eine weitere Unterbringung in der Groß Kleiner Feuerwache. Dort leben seit Februar diesen Jahres Geflüchtete sehr abgeschieden und aufgrund des niedrigen Betreuungsschlüssels für als dezentral  geltende Unterkünfte unzureichend betreut werden können. Zudem birgt die seit kurzer Zeit verschiedenartige  Unterbringung in Zimmern und in der zur Feuerwehrwache gehörigen Turnhalle zu vermeidbarem Konfliktpotential unter den dort untergebrachten Geflüchteten. Unterkünfte für Geflüchtete sollten sich nicht bereits durch eine abgeschiedene Lage auszeichnen, die einer Integration in der Stadt und ebenso einer Öffnung für Ehrenamtliche entgegensteht. Eine gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr ist damit unabdingbar.

Schnellstmögliche Registrierung und Einleitung der Asylverfahren

Noch immer warten unzählige Menschen in Rostock und auch andernorts darauf, endlich registriert zu werden und einen Antrag auf Asyl stellen zu können. Wir können nicht nachvollziehen, warum dies nicht auch außerhalb der Erstaufnahmeeinrichtung in Horst in Notunterkünften wie in Rostock möglich sein soll. Zumal die Kapazitäten der Behörden in Horst vollkommen ausgereizt sind. Sogenannte „mobile Registrierungen“ gibt es in anderen Bundesländern bereits seit längerem. Das sollte auch in MV endlich möglich sein. Solche „mobilen Registrierungen“ würden einerseits die Zuständigen in der Erstaufnahmeeinrichtung in Horst entlasten und die Wartezeit für die Geflüchteten verkürzen. Erneute Reisestrapazen, Aufwand und Kosten für diese zusätzliche Zwischenstation könnten vermieden werden.

Kompetente und ausreichende Betreuung sowie verbindliche Beratung der
Geflüchteten unter Einbeziehung der ehrenamtlichen UnterstützerInnen und Projekte

Viele Asylsuchende leben nach wie vor in einem Gefühl der Unsicherheit. Die einen sind mit widersprüchlichen Informationen und Hinweisen konfrontiert. Andere erleben heute empathische Unterstützung von Personen, denen morgen möglicherweise schon der Zugang zur Unterkunft verwehrt oder erschwert wird. Wieder andere sind einerseits angekommen in ihrer eigenen Wohnung, können aber nicht auf ausreichende Beratung und Betreuung zugreifen.
Wir fordern daher ausreichende Kapazitäten für kompetente Betreuung für dezentral untergebrachten Geflüchteten und von Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften. Nur durch eine schnellst mögliche Aufklärung der Geflüchteten über ihre Rechte- und Möglichkeiten können sie Rechts- und Entscheidungssicherheit erlangen, die für die Entwicklung neuer Lebensperspektiven unabdingbar ist.

Offensive und verlässliche Informationspolitik

Lange hat die Stadt Rostock ihre BürgerInnen und Beiräte nicht informiert und einbezogen in Entscheidungen zur Unterbringung von Geflüchteten. Wir begrüßen die kürzlich stattfindende Veranstaltung, um dem entgegen zu wirken. Klare und verlässliche Informationen sind unserer Meinung nach das beste Mittel gegen Gerüchte und Unsicherheiten, die von RassistInnen nur allzu gerne zur Stimmungsmache genutzt werden. Zudem können durch rechtzeitige Information und Einbeziehung der Zivilgesellschaft bestehende Ressourcen und Kapazitäten für eine aktive Willkommenskultur genutzt werden.

Ausreichende Infrastruktur und Finanzierung für Integrationsmöglichkeiten

Wir fordern die Hansestadt Rostock auf, ausreichend Schulplätze und Kindergartenplätze für alle in Rostock lebenden Kinder und Jugendlichen zu schaffen. Außerdem fordern wir ein ausreichendes Angebot an Deutschkursen. Ohne solche Angebote ist für geflüchtete Menschen und Familien das Ankommen, die Orientierung und Integration in die städtische Gesellschaft – letztlich ein selbständiges Leben – nicht zu schaffen. Um die Möglichkeiten zu einer aktiven Willkommenskultur und Integration der Geflüchteten zu unterstützen, fordern wir zudem ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten für lokale und engagierte Träger, um spezifische Angebote schaffen zu können.

Kommunikation auf Augenhöhe und unbürokratische Unterstützung der ehrenamtlichen Hilfestrukturen

Immer wieder wird das ehrenamtliche Engagement für Geflüchtete auf Stadt- und Landesebene gelobt und eine enge und vertrauensvolle Kooperation betont. Das Agieren auf Kommunalebene wird diesem Anspruch jedoch nicht immer gerecht. Absprachen werden nicht eingehalten. Mitunter haben wir sogar den Eindruck, dass Entscheidungen förmlich „mit der Brechstange“ durchgesetzt werden sollen, ohne Rücksicht auf das ehrenamtliche Engagement und vor allem die prekäre Situation der Geflüchteten. Nicht selten fühlen wir uns vor den Kopf gestoßen. Wir fordern daher echte Kooperationsbereitschaft und eine Flexibilität, die der angespannten Situation angemessen ist.
Um jetzt aber auch perspektivisch die Situation für geflüchtete Menschen in Rostock gemeinsam so gut wie möglich gestalten zu können, fordern wir umgehend die Einrichtung eines regelmäßigen Runden Tisches, an dem neben
den verschiedenen Verwaltungsbereichen (Amt für Flüchtlingsangelegenheiten und Integration, Amt für Jugend und Soziales, Schulamt, Gesundheitsamt), Hauptamtliche und Ehrenamtliche der Flüchtlingsarbeit sowie Geflüchtete selbst teilnehmen können.

Anette Niemeyer im Namen des Bündnis „Rostock nazifrei!“ *
Florian Fröhlich im Namen der Initiative „Rostock hilft“ **

* Das zivilgesellschaftliche Bündnis „Rostock nazifrei!“ hat sich im Vorfeld des NPD Aufmarsches am 1. Mai 2010 gegründet. Im Bündnis sind Parteien, Gewerkschaften, Vereine, Initiativen und engagierte Einzelpersonen organisiert. Ziel ist ein gesellschaftlich breites und konsequentes Agieren gegen rechte Propaganda und rassistische Diskriminierung.

** Die Initiative „Rostock hilft“ ist eine Plattform von Einzelpersonen, Vereinen und Initiativen, die Geflüchteten seit Anfang September 2015 unbürokratisch und unkompliziert helfen. Bisher haben sich in der Initiative mehr als 800 Personen ehrenamtlich engagiert. Dabei stehen das Wohl und die Bewegungsfreiheit der Geflüchteten als selbstbestimmte Individuen klar im Vordergrund.

Aktuelle UnterstützerInnen des offenen Briefs:

 

 

 

Arbeitskreis kritische Soziale Arbeit Rostock
Bündnis 90/Die Grünen Rostock
Eine-Welt-Landesnetzwerk
Evangelische Studierendengemeinde Rostock
Evangelische Südstadtgemeinde Rostock
Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Rostock
Ev.-Luth. Heiligen-Geist-Gemeinde Rostock
Ev.-Luth. Innenstadtgemeinde Rostock
Interkultureller Garten Rostock
Jusos Mecklenburg-Vorpommern
Medinetz Rostock
Migrantenrat der Hansestadt Rostock
MIGRANET -MV (Netzwerk der Migrantenselbtsorganisationen aus Mecklenburg- Vorpommern)
projekt:raum
Refererat für politische Bildung des AStA der Universität Rostock
Rostocker Friedensbündnis

 

 

3 Antworten auf „Offener Brief an Stadt und Land“

  1. Fehlt nur noch der Vorschlag einer Gegenfinanzierung. Mir fallen da sofort die 700.000,-€ ein, die zu sparen sind, wenn man sich gegen die Umgestaltung der Wallanlagen entscheidet und damit sogar aus zwei Richtungen etwas für das Klima innerhalb Rostocks tun kann.

  2. Als Mitglied im Bündnis Rostock nazifrei und aktive Unterstützer bei hrohilft hat der Rostocker Stadtjugendring diesen Offenen Brief mit auf den Weg gebracht. Im Intresse der Menschen, die vor Krieg und Chaos aus ihrer Heimat geflohen sind und im Interesse tragfähiger Hilfenetzwerke und gelingender Integration, setzen wir uns dafür ein, dass jetzt die richtigen Weichen gestellt werden. Eine progressive Informationspolitik kann wohlmöglichen Ängsten vorbeuegen und Hilfen noch effektiver machen. Menschenfeindlichkeit und Hass muss eine klare Absage erteilt werden. Aus BEsorgnis sollte Sorge FÜR EINANDER wachsen. Es muss uns gelingen, dass dabei alle Seiten konstruktiv und mit gegenseitiger Achtung zusammenarbeiten. Vielen Dank an alle – die in ihrerem jeweiligen Wirkunungskreis – das ihnen Mögliche tun.

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