Aus der mazedonischen Hauptstadt Skopje, wo wir die Nacht verbracht haben, sind wir heute an die Grenze gefahren. Kurz vor Grenzübergang liegt auf mazedonischer Seite der Ort Gevgelija. Von hier kommen die Züge in Tabernoce (Serbien) an. Dort angekommen, waren wir erstaunt darüber, dass im Ort selbst kein Camp zu sehen war.
Die Erklaerung liegt in einem erneut recht absurden Grenzübertrittsverfahren.
Jede Grenze ein anderes absurdes Chaos
Der Ablauf ist wie folgt: Aus dem Camp in Idomeni auf griechischer Seite, das direkt an den Bahnschienen Richtung Gevgelija liegt, gehen die Leute zu Fuß einige
hundert Meter bis zum mazedonischen Camp Vinjug. Dies ist laut Schild ein „Transit Registration Camp“. Hier werden alle Dokumente kontrolliert. Die Menschen haben einen zumeist recht kurzen Aufenthalt und steigen dann direkt am Camp über eine frisch betonierte Rampe in bereitstehende Züge. Diese durchqueren keine zwei Kilometer später den Bahnhof in Gevgelija. Wiederum also forcierte offizielle Einreis und Aufenthalt, statt die Menschen direkt in durchfahrenden Zügen Richtung Serbien und weiter nördlich fahren zu lassen.
Polizei, Militär und sehr viel Stacheldraht
Der Grenzübergang in Idomeni liegt nicht nur direkt an den Schienen, sondern eben auch im mittlerweile doppelten Grenzzaun. Links und rechts von uns sehen wir Militär, das immer noch damit beschäftigt ist die zweite Reihe Zaun fertig zu stellen und die erste Reihe mit aufgeschütteter Erde weiterhin zu verstärken. Die Menschen aus dem Camp kommen durch ein kleines Häuschen mit Tor über die Grenze. Es werden immer nur kleine Gruppen durchgelassen, dazwischen wird jedes mal das Tor wieder verschlossen, eine lange Schlange von Menschen steht an.
Die Atmosphäre ist zu dem Zeitpunkt unserer Anwesenheit relativ entspannt, keine Hektik, vereinzelte Menschen werden vom Jeep des Roten Kreuzes abgeholt. Ein Presseteam mit Fernsehkamera ist anwesend. Militär mit Heckenschere wird ebenso gefilmt, wie die mazedonischen und griechischen Polizisten die zum Wachwechsel kommen und mit ihren Handys Fotos vor dem Tor machen.
Links und rechts zieht sich der Zaun in die Hügel hinein. Auf griechischer Seite liegt davor plattes Land, Felder und Wiesen, auf mazedonischer Seite sehen wir Weinstöcke, Wald, Hügel, ein breites, ausgetrocknetes Flussbett. Wer keinen syrischen, irakischen oder afghanischen Pass hat muss dort einen Weg suchen, fernab von jeder humanitären Begleitung.
Wer aber einen SIA (Syrien, Iraq, Afghanistan) Pass hat, gelangt in das Camp Vinjug. Essen, WIFI, Wasser und medizinische Versorgung werden hier versprochen. Wir haben vorher leider verpasst eine Genehmigung für das Betreten des Camps zu beantragen und können nur durch den Zaun mit Menschen vom Roten Kreuz auf der Innenseite sprechen. Auch hier sind die großen humanitären Organisationen deutlich präsent. UNHCR, Habitat, das Rote Kreuz. Wir sehen viele Helfer_innen auf dem Gelände. Die ankommenden Menschen stehen vor dem bewachten Eingang in das Camp wieder in langen Schlangen an, ihre Papiere werden kontrolliert.
Als wir vor Ort sind ist es ca. 17:oo Uhr. Heute ist noch kein Zug nach Skopje gefahren. Taxifahrer hatten aus Protest gegen die erzwungene Weiterreise der Menschen mit dem Zug die Gleise blockiert. Sie hatten zu Beginn der Fluchtbewegung über Mazedonien die Geflüchteten selbst gefahren. Auch Mazdonien ist von Armut geprägt und die Geflüchteten waren für viele Menschen eine Perspektive für ein zumindest zeitweise geregeltes Einkommen. Wir sehen Cops in Riot Gear, Räumpanzer und mazedonische grüne Minnas, die nach Angaben der Personen im Camp für die Taxi-Fahrer da waren.
Am Bahnhof in Gevgelija will niemand so wirklich mit uns sprechen. Wir erfahren aber doch, dass die Züge hier nur wenige Minuten stehen, die Reisenden werden nicht noch einmal kontrolliert. Eine lange
Polizeikette riegelt dann wohl immer den Bahnhof ab und zwingt die Menschen in jedem Fall im Zug zu bleiben. Aussteigen nicht erwünscht.
Das muss vor nicht all zu langer Zeit noch anders gewesen sein. An Laternen hängen Infozettel zu den Preisen der Züge, im Wartesaal sind noch Decken des UNHCR und vereinzelte Schuhe, hinter dem Bahnhofsgebäude stehen Plastikhäuschen vom UNHCR; eine Art Carport für Menschen. Es muss also möglich gewesen sein selbstständig nach Gevgelija zu gelangen und sich für eine Art der Weiterreise zu entscheiden, bevor die Grenzpolitik derart verschärft wurde, und Menschen quasi Paketweise und möglichst ohne jeden Kontakt zur Bevölkerung abgefertigt und landverschickt werden. Es liegt eine bedrückende Atmosphäre in der Luft.
Weiter nach Griechenland
Bei unserer Überfahrt über die griechische Grenze sehen wir einige Dutzend scheinbar beschlagnahmte Traktoren, einige mit Transparenten. Später erfahren wir, dass heute nicht nur die mazedonischen Taxifahrer sondern auch die griechischen Bauern die Grenye blockierten, aber natürlich aus verschiedenen Gründen.
Unser Stop für die Nacht ist Polykastro. Unweit von hier ist die Tankstelle an der Berichten zufolge täglich mehrere hundert Menschen stranden, die noch nicht nach Idomeni rein dürfen.
Morgen mehr.