Wie bereits aus den Medien bekannt, protestierten Asylsuchende am Donnerstag, den 03. Mörz 2016, in Jördenstorf mit einer Spontanversammlung gegen die unhaltbaren Zustände in ihrer Unterkunft.
„Rostock hilft“ hat hier eine Stellungnahme zu der Situation verfasst.
Unhaltbare Zustände in der betreffenden Unterkunft in Jördenstorf
Am Tag darauf besuchten zwei ehrenamtlich Aktive von „Rostock hilft“ die vom DRK betriebene Unterkunft. Die Zustände vor Ort waren erschreckend. Unter anderem mangelte es an dringender medizinischer Versorgung. Die Zimmer waren deutlich überbelegt. 15 Personen, darunter schwangere Frauen und Kinder, teilten sich ein Zimmer im obersten Stockwerk, in dem es durch die Decke regnete. Die vielen Treppen zu den Waschräumen könne die hochschwangere Frau gar nicht alleine bewältigen, erklärten die besorgten Bewohner_innen. Als Schlafstätte dienten dünne Matratzen, z. T aus Schaumstoff auf dem Boden. Darüber hinaus fühlten sich die Bewohner_innen nicht ernst genommen und abgeschottet von der Kommunikation zur Heimleitung. Allein die Fahrtkosten für eine Fahrt zum zuständigen Sozialamt betragen mehr als ein Zehntel ihres monatlich verfügbaren Geldes. Beschwerden von Bewohner_innen der Unterkunft in Jördenstorf seien von den zuständigen Behörden seit Monaten nicht beantwortet worden. Isoliert von Nachbarorten und ohne Möglichkeiten, Sprachkurse oder sonstige Integrationsmöglichkeiten wahrzunehmen warten die Menschen monatelang unter diesen Zuständen auf Fortschritte im Asylverfahren.
„Rostock hilft“ unterstützt Asylsuchenden in ihren Anliegen. Hierzu gehört auch die Auseinandersetzung mit derart unhaltbaren Umständen.
Unsouveräner Umgang mit der Unterstützungsinitiative durch Betreiber und Behörden
Obwohl die Ehrenamtlichen einer ausdrücklichen Einladung der Bewohner_innen gefolgt waren, zeigte sich der nach einer halben Stunde eintreffende Leiter der Flüchtlingsunterkunft sichtlich empört darüber, dass dort ein Gespräch zwischen den beiden Personen und den Geflüchteten über die Unterbringungssituation stattfand. Nach einer telefonischen Abstimmung mit der Verwaltung des Landkreises Rostock wurde beiden Personen ein Hausverbot ausgsprochen und dann unter Mitwirkung der inzwischen herbeigerufenen Polizei ein Strafantrag wegen Hausfriedensbruch gestellt, mit der Begründung, sie hätten sich nicht förmlich im Büro angemeldet.
Dies sorgte wiederum für Empörung unter den Bewohner_innen, die sich in ihren Grundrechten eingeschränkt fühlten, weil ihnen Besuch untersagt wurde.
Allein der Versuch, mit den Asylsuchenden über ihre Situation zu sprechen und sie perspektivisch zu verbessern, scheint von einigen Betreibern und Behörden des Landkreises als Angriff verstanden zu werden.
„Rostock hilft“ bietet sowohl Betreibern und Sozialarbeiter_innen als auch Asylsuchenden stets Hilfe an, soweit diese möglich ist. Zu der Zusammenarbeit mit den Asylsuchenden gehören Gespräche über ihre Lebensumstände. Kritische Nachfragen dazu sollten nicht mit Hausverboten sanktioniert werden.
Stattdessen sollten Behörden und Betreiber mindestens den gesetzlichen Rahmen einhalten. Dies bedeutet: Alles erdenklich mögliche tun, um Mindeststandards der Unterbringung zu gewährleisten anstatt sie aufzuweichen.
Die Forderungen der Asylsuchenden müssen Gehör finden!
Schweigen, Schönreden, Zensur und Verbote sind keine demokratischen Grundsätze. Eine Spontanversammlung (verankert im Grundrecht der Versammlungsfreiheit) zu einer „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ zu erklären, zeigt die fehlende Bereitschaft, die Asylsuchenden als Gesprächspartner_innen auf Augenhöhe und neue Mitmenschen anzuerkennen.
In der Annahme einiger Verantwortlicher aus den Kreisen der Betreiber und des Landkreises Rostock, der politische Protest der Geflüchteten sei von >Rostock hilft< initiiert, steckt ein fataler Denkfehler: Die Asylsuchenden werden nicht als selbstständig politisch denkende und handelnde Menschen begriffen. Ihre Selbstorganisierung und Kritikpunkte werden nicht ernst genommen.
Das kam z. B. darin zum Ausdruck, dass schon vor längerer Zeit eingereichte Beschwerden von Bewohner_innen der Unterkunft in Jördenstorf von den zuständigen Behörden nicht beantwortet wurden.
Es erscheint paradox, von Asylsuchenden die Integration in diese Gesellschaft zu fordern und ihnen zeitgleich den Zugang zu demokratischer Teilhabe sowie Meinungsäußerung zu verweigern. Beschwerden bei der Heimleitung und wiederholtes persönliches Vorsprechen im zuständigen Sozialamt zeigten keine Ergebnisse.
Nicht das erste Mal…
Ein ähnlicher Vorfall war bereits vor zwei Wochen in der Notunterkunft in Waldeck geschehen: Auch dort erhielten Mitglieder von Rostock hilft, die in der Kinderbetreuung tätig waren ein Hausverbot, weil die BetreiberInnen vor Ort der Ansicht waren, die Proteste der BewohnerInnen seien ein Ergebnis der Konaktaufnahme durch die Freiwilligen von >Rostock hilft<.
Auch hier wurden die Hilfegesuche der Asylsuchenden hinsichtlich der zermürbenden Lebenssituation mit 80 Menschen in einer Turnhalle und deren Wunsch nach Gleichbehandlung untereinander so lange nicht ernst genommen bis sich die Konflikte unter den Bewohner_innen gewaltsam entluden.
Wie geht es besser?
– Aus Sicht von „Rostock hilft“ müssen die Verantwortlichen beginnen, ernsthaft mit den Asylsuchenden zu reden. Die Asylsuchenden können wertvolle Beiträge zu Lösungen leisten. Sie haben Vorstellungen, Ideen, Zeit. Die Verantwortlichen sollten die Menschen als Kooperationspartner_innen begreifen, die hierher gekommen sind, um sich ein sicheres und friedliches Leben aufzubauen. Insbesondere muss das Verfahren des Landkreises auf den Prüfstand, Lösungsvorschläge der Geflüchteten grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, weil dieses seine Entscheidungskompetenz unterminieren würde. Auch wenn die Angst verständlich ist, Hilfe für Einzelne könnte Begehrlichkeiten für andere schaffen, denen diese Hilfe nicht zuteil wird, manövriert sich der Landkreis mit dieser Politik in eine Situation von willkürlicher Verweigerungshaltung. Das hat z. B zur Folge, Zimmer in einzelnen Unterkünften deswegen temporär nicht genutzt werden können, weil einzelne Geflüchtete, selbst initiatriv wurden und vorschlugen, diese für andere Geflüchtete zu nutzen.
– Transparenz, z.B. über die Wohnungssituation wäre ein erster Schritt. Sprachbarrieren dürfen dabei nicht vergessen werden.
– Beschwerden muss nachgegangen werden. Sachbearbeiter_innen, die die Unterkünfte noch nie live gesehen haben, sollten sich kein Urteil darüber erlauben, wie lange man es unter den vorherrschenden Umständen aushalten können muss.
– Die Lücken müssen klar benannt werden: Fehlt Geld vom Land, dann gehört eine Debatte darüber in die Öffentlichkeit. Fehlen Wohnungen, muss das auch den Betroffenen gegenüber klar kommuniziert werden. Sind die Behörden überlastet, müssen neue Mitarbeiter_innen eingestellt werden.
– Die Unterstützungsangebote sollten genutzt werden. Jenseits von Deutschkursen etc. könnten Unterstützungsinitiativen z.B. auch Unterbringunsaufrufe starten.
Im Grundsatz sind viele Probleme politische Fragen: Die Asylsuchenden sollten möglichst schnell ein selbstbestimmtes Leben führen dürfen. Insofern: Weg mit Arbeitsverboten und Regulierung der Wohnsituation!