Seit fünf Wochen begleiten Supporter_innen von #hrohilft Geflüchtete auf der Fähre nach Trelleborg. Doch wie geht es vor Ort für die Menschen weiter?
Angekommen in Trelleborg werden die Geflüchteten zunächst direkt vom Schiff durch die Migrationsbehörde (schwedisch: Migrationsverket) in Bussen nach Malmö gebracht. Zwei Fährbegleiter_innen haben gestern die dort aktiven Unterstützer_innen besucht und sich ein Bild von der Situation gemacht.
Malmö ist die drittgrößte Stadt Schwedens mit etwas über 300.000 Einwohner_innen. Die Fahrt dorthin dauert etwa 30 Minuten und führt durch ein südschwedisches Dörfer-Idyll, dessen Bilderbuchcharakter kaum auszuhalten ist. Ein surreales Gefühl: Zwischen Fähre und Malmö, diese Ruhe. Das Sprichwort „da liegen Welten dazwischen“ wird hier greifbar.
Erreicht man Malmö, trifft man ähnlich wie in Rostock schon am Bahnhof auf Helfer_innen. Die Gruppe „Refugees Welcome“ hat sich spontan auf Facebook zusammengefunden und unterstützt seit mehreren Wochen die ankommenden Geflüchteten. Sie versorgen sie mit Tee, Wasser und einer Kleinigkeit zu Essen. Zusätzlich gibt es im Bahnhof einen Raum, wo Geflüchteten Kleiderspenden zur Verfügung stehen.
Mittlerweile stehen etwas abseits des Bahnhofs mehrere Container. In einem der Container ist die Freiwilligen-Gruppe ansprechbar. Daneben steht das Schwedische Rote Kreuz (Röda Korset). Direkt gegenüber können sich Geflüchtete beim Migrationsverket melden und werden, wenn sie registriert werden wollen, zum Registrierungspunkt gefahren.
In Malmö liegt eine der schwedischen Registrierungsstellen. Asylsuchende, die Schweden mit der Fähre erreichen, werden in Bussen vom Migrationsverket direkt dorthin gebracht. Asylsuchende, die auf dem Landweg nach Schweden kommen, können selbstständig dorthin gehen und einen Antrag stellen. Nach der Registrierung werden die Asylsuchenden in Unterkünfte in ganz Schweden verteilt. Sie können auch bei Verwandten unterkommen, wenn sie dies möchten und selbstständig organisieren.
Unbegleitete Minderjährige werden in separierten Wohneinrichtungen untergebracht. Wenn sie bereits Verwandte in Schweden haben, können sie beantragen bei ihnen zu leben.
Das Migrationsverket ist ähnlich wie die deutschen Behörden überfordert mit der hohen Anzahl an Asylsuchenden, die in den vergangenen Wochen angekommen sind. Sie registrieren nicht jede_n. So hatten in den vergangenen Wochen viele die Möglichkeit, nach Finnland oder Norwegen weiter zu reisen.
Gleichzeitig zeigt auch in Malmö die aktuelle Situation, wie viele Menschen bereit sind, den Slogan „Refugees Welcome“ ganz praktische Realität werden zu lassen.
So gibt es von Helfer_innen organisierte Notunterkünfte im Kulturzentrum „Kontrapunkt“ und in zwei Moscheen.
Anders als in Rostock stellt die Stadt keine Unterkünfte für Menschen zur Verfügung, die z.B. weil die Schlange beim Migrationsverket zu lang war, erst am zweiten Tag ihrer Ankunft Asyl beantragen können. Die Verwaltung scheint zudem zu ignorieren, dass es Geflüchtete gibt, die nicht in Schweden bleiben wollen, aber mit Essen versorgt werden müssen.
Kontrapunkt besteht völlig selbstorganisiert, d.h. es gibt keine Gelder von der Verwaltung. Die Helfer_innen arbeiten dort aus Überzeugung. Das was vorhanden ist, wurde gespendet. Im Kontrapunkt gibt es Essen, eine Kleiderkammer und ein Informationsangebot. Die Geflüchteten haben hier Zugang zu Internet und können ihre Freund_innen und Familie kontaktieren.
Der Kreis an Menschen, die aktiv sind, ist unglaublich vielfältig: Da gibt es eine Spende von 200 Stockbetten von einer Tischler_innenschule, eine VoKü-Gruppe kocht etwa 500 Portionen Essen über den Tag verteilt, Fahrer_innen sind den ganzen Tag unterwegs, in einer Art Umsonstladen können die Geflüchteten sich nehmen, was gespendet wurde. Ähnlich wie #hrohilft ruft der Kontrapunkt über Facebook dazu auf, zu spenden und zu helfen. Außerdem gibt es Infoblätter und Broschüren zum Asylprozess in Schweden(http://www.farr.se/en/in-english/good-advice), Finnland, Norwegen, Deutschland.
Der Kontrapunkt ist ein unglaublich lebendiger Ort. Die Menschen, die hier ankommen leben und „arbeiten“ gemeinsam.
Etwas unterscheidet Malmö von der Situation in Rostock: 43% der Menschen,die in Malmö leben, haben einen Migrationshintergrund und dadurch häufig Mehrsprachenkenntnisse. Das macht es sichtlich einfacher, den direkten Kontakt zu den ankommenden Geflüchteten aufzubauen, ihnen Abläufe zu erklären, Fragen zu beantworten. Zum Vergleich in Rostock: Hier haben 4,4% (MV-weit nur 3,7%) der Bevölkerung einen Migrationshintergrund.
In den Medien fallen derzeit häufig die Vokabeln „Flüchtlingskrise“und „Flüchtlingsströme“. Damit werden unterschwellig Schreckensszenarien vermittelt, die zu absurden politischen Ideen führen: Z.B. die von der Bundesregierung angestrebten „Transit“-Zonen oder auch die „Überfremdungs“-Phantasien von Neonazis und Rechtspopulist_innen.
Der Besuch in Malmö hat ganz deutlich gezeigt: Genauso wenig wie in Rostock ist die Zivilgesellschaft in Malmö überfordert. Hunderte Helfende und Tausende Spender_innen finden ganz konkrete Antworten auf die akuten Notlagen und Dringlichkeiten, mit denen die ankommenden Geflüchteten konfrontiert sind. Für die Zukunft steht an, die spontanen und herzlichen Initiatven zu erhalten, die Unterstützungsprojekte langfristig zu gestalten und die Begegnungsorte zu erhalten.