Selbstbestimmt essen – Verhandlung am Sozialgericht

Am 23. Juni findet am Sozialgericht die Verhandlung im Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz eines Asylsuchenden statt, der gegen die Praxis der Hansestadt Rostock klagt. Die Hansestadt gibt in einigen provisorischen Unterkünften derzeit Sachleistungen statt Geldleistungen im Bereich Essen. Die Verhandlung ist öffentlich. Sie beginnt um 10 Uhr im Sozialgericht in der August-Bebel-Straße in Raum 2.034.

Das Essen, das in den provisorischen Unterkünften in Rostock derzeit serviert wird, ist alles andere als yammi. Deswegen landen leider täglich geschätzt mehrere hundert Kilo Essen (und jede Menge Plastik-Geschirr) in der Tonne.

Hintergrund ist, dass in mehreren Geflüchtetenunterkünften in Rostock zur Zeit der gesetzlich vorgegebene Standard für Sammelunterkünfte nicht eingehalten werden kann (GUVO-MV). In einigen Unterkünften stehen keine Küchen und Kühlschränke zur Verfügung und die Leute können nicht selbst kochen. Sie bekommen daher Essen durch einen zentralen Caterer und ihnen wird automatisch ca. 160€ vom eh schon sehr niedrigen Asylbewerberleistungsgeld (ca. 370€) abgezogen. Absurd, denn wer das Essen nicht essen will, muss dann das verbleibende Geld, das eigentlich für andere Kosten gedacht ist, für Essen ausgeben.

Am Freitag klagt ein Betroffener vor dem #Sozialgericht Rostock gegen das Sozialamt. Denn mit den 160€ kann man sich auch selbstbestimmter versorgen. Selbstbestimmte Essensversorgung ist ein wichtiger Faktor für eine gesunde Psyche, das schreiben auch verschiedene Vereine und Organisationen in einem aktuellen Positionspapier.

Wir unterstützen die Forderung von Betroffenen:
Das Sozialamt muss den Leuten freistellen, ob sie mit den 160€ selbst einkaufen gehen oder die zentrale Essensversorgung in Anspruch nehmen!

Aus der Stellungnahme des Betroffenen

„[…] Die Entscheidung, wie ich mich mit Essen versorge, obliegt mir, beispielsweise ob ich kalt oder warm essen möchte. Diese Entscheidung einzuschränken, stellt einen ungerechtfertigten und hier durch das Amt für Soziales und Teilhabe Rostock völlig unbegründet gelassenen Eingriff in meine Freiheitsrechte dar. Die Regelversorgung gemäß AsylbLG nach Verteilung aus den Landeserstaufnahmeeinrichtungen sieht die Selbstversorgung vor. Eine Abweichung davon muss durch die Behörden begründet werden, unter Abwägung gegenüber meinen Interessen und Rechten. Dies ist an keiner Stelle geschehen, weder im ursprünglichen Leistungsbescheid, noch in der vorliegenden Stellungnahme.

Das Amt für Soziales und Teilhabe kann allein die Tatsache, dass es mehrere hundert Menschen entgegen den Mindestanforderungen der GUVO-MV ohne Kühlmöglichkeiten und Gemeinschaftsküchen in einer Industriehalle unterbringt, nicht geltend machen, um zu begründen, dass es mir die mir zustehenden Leistungen der Abteilungen 1 und 2 (Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren) vorenthält. Vielmehr müsste das Amt für Soziales und Teilhabe Rostock inhaltlich begründen, warum es mir die vorgesehene selbstbestimmte Essensversorgung vorenthält und mir freistellen ob ich die zur Verfügung gestellte Lösung mittels Versorgung über einen Caterer annehmen möchte.

Ich möchte mich selbst versorgen und benötige hierzu die vorgesehenen 157,03€. Es ist durchaus möglich mir Essen zu kaufen, das nicht in Gemeinschaftsküchen zubereitet werden muss. Auch aktuell esse ich das Essen in der Industriehalle nicht. Ich bestreite die Kosten für Nahrungsmittel und Getränke aus dem Budget von 211,97€, das mir eigentlich für andere Abteilungen der Regelversorgung zur Verfügung gestellt wird. Hierdurch entsteht eine extreme Unterversorgung weit unter dem grundgesetzlich garantierten Existenzminimum.“

Und weiter:

„Die derzeitige Handhabung durch das Amt für Soziales und Teilhabe betrifft in Rostock mehrere hundert Menschen in verschiedenen Unterkünften, nicht nur in der Industriehalle. Für alle Betroffenen bedeuten die Sachleistungen unbegründete und unzumutbare Eingriffe in ihre Freiheitsrechte und Eingriffe ins Existenzminimum, da sie gezwungen sind für die Substitution der fehlenden Leistungen auf Geld aus anderen Abteilungen des Regelbedarfssatzes zurück zu greifen.

Ein öffentliches Interesse [an der Auszahlung von Geld- statt Sachleistungen] besteht weiterhin, weil

  • davon auszugehen ist, dass durch die Versorgung via Caterer ein weit höherer Betrag als 157,03€/Monat/Person anfallen. Dieser Mehrbedarf belastet die öffentlichen Kassen ohne dies im Einzelnen gegen die Interessen und Rechte der Betroffenen abzuwägen.
    Sofern dem Gericht zu den Kosten der zentralen Essensversorgung keine Erkenntnisse vorliegen, sollten diese erhoben werden.
  • täglich in Rostock mehrere hundert Kilo Lebensmittel weggeworfen werden, weil das unerträglich schlechte Essen von Bewohner:innen der Unterkünfte nicht gegessen wird und das Amt für Soziales und Teilhabe den Caterern keine neuen Aufträge erteilt. Dem Amt für Jugend und Soziales liegen zahlreiche Beschwerden von Menschen vor, auf die es in keiner Weise sichtlich reagiert. Dies ist Verschwendung öffentlicher Mittel und wertvoller Ressourcen.
  • die Hansestadt Rostock sich zum Ziel gesetzt hat, eine „plastikfreie Stadt“ zu sein. Das Essen in der Halle wird täglich 3 Mal (!) in Plastikgeschirr mit Plastikbesteck ausgegeben. Der Aufwand für Müllentsorgung und das Erbe an Müll für kommende Generationen ist enorm und unnötig.“

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